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Wie bereits beschrieben, war unsere erste Unterkunft in Rye, East Sussex. Rye ist eine mittelalterliche Kleinstadt mit etwa 4.600 Einwohnern, sie hat enge Pflasterstraßen mit einer feinen alten Kirche und Fachwerkgebäuden. Ursprünglich befand sich das Meer südlich von Rye, doch heute ist es mehr als 3 Kilometer entfernt. Die Stadt ist noch immer an drei Seiten von Wasser umgeben, vom Fluss Rother im Osten, dem Fluss Tillingham im Westen und dem Royal Military Canal im Süden. Besonderes Highlight in Rye ist das Mermaid Inn in der Mermaid Street. Einst trafen sich hier nämlich die Schmuggler der berühmt-berüchtigten Hawkhurst Gang.
Wir haben, um ganz genau zu sein, auch nicht direkt in Rye übernachtet, sondern in Winchelsea. Winchelsea ist ein hübsches Sussex Dorf und war einst eine wichtige mittelalterliche Stadt und ein Hafen. Heute befindet es sich ruhig gelegen auf einem Hügel ein paar Kilometer vom Meer entfernt mit Blick über das Sumpfgebiet und stimmungsvollen Überresten aus der Vergangenheit - der Kirche vom Heiligen Thomas, dem Märtyrer, mittelalterlichen Toren und breiten Straßen.














Etwa 20 Kilometer von Rye entfernt liegt das Bodiam Castle. Die Burg sieht genau so aus, wie sich viele Menschen eine mittelalterliche Wasserburg vorstellen. Ein quadratischer Grundriss von hohen zinnenbewehrten Mauern umgeben, an jeder Ecke ein runder Turm und in jeder Mauerseite jeweils ein quadratischer Turm. Das alles umgeben von einem Wassergraben inmitten wunderschöner, üppig grüner Landschaft. Bodiam war nur über Zugbrücken und eine Barbakane – ein vorgelagertes Verteidigungswerk – erreichbar. So perfekt, dass man sich fragt, ob diese Burg damals zu Verteidigungszwecken oder als raffiniertes herrschaftliches Anwesen erdacht und gebaut wurde. Zumal es seltsam scheint, dass Bodiam zum Schutz einer Küste konzipiert wurde, von der es ziemlich weit entfernt ist. Lord Curzon erwarb das Gebäude im Jahr 1917 und begann mit Restaurierungsarbeiten. Ihm ist es zu verdanken, dass man heute auf die Türme steigen und auf einigen Mauern entlanglaufen kann. Nach seinem Tod im Jahr 1925 ging die Burg in den Besitz des National Trust über, der die Ruine heute verwaltet.



Wie schon angedeutet befinden sich an der Südküste von Sussex die sogenannten "Seven Sisters", die, im Vergleich zu Dover, die deutlich schöneren Kreidefelsen sind. Außerdem liegen sie in einer Bucht, was es dem Besucher ermöglicht, die Szenerie von der gegenüberliegenden Seite der Bucht zu beobachten und somit für einen Blick AUF die Felsen nicht aufs Wasser zu müssen. Auch hier kann man, wie in Dover, einen Wanderweg auf den Felsen unternehmen, wir haben uns aber entschieden, den Blick von der anderen Seite der Bucht zu genießen. Dazu fährt man in die kleine Ortschaft Exceat, wo es entsprechende Parkplätze gibt (für Mitglieder des National Trust frei). Von hier aus läuft man zum Cuckmere Inn und dann immer am Fluss Cuckmere entlang bis Cuckmere Haven. Die Strecke ist zwar nicht ausgeschildert, aber eigentlich nicht zu verfehlen. Erstaunlicherweise gibt es recht wenige Besucher, die diesen Weg wählen, die meisten Besucher laufen auf den Felsen entlang. Entweder wissen sie es nicht besser, oder sie bevorzugen die Wanderung gegenüber den Ausblicken - sei es drum, wir fanden diesen Weg mit dem entsprechenden Ziel als eines der Top-Highlights unserer Reise.



Die Geschichte der sieben Kreidefelsen reicht bis in die Griechische Mythologie zurück, genau genommen auf die Legende der Plejaden. Dabei handelt es sich um Nymphen, die die Töchter des Titanen Atlas sind. Diese sieben Schwestern, nach denen die Felsen benannt wurden, waren jungfräuliche Begleiterinnen des Artemis und sollen während sie Orion verfolgten, gestorben seien und seitdem als Sternenbilder am Himmel als Beschützerinnen zu sehen sein. Ich stehe ja bekanntlich auf solche Geschichten 😊.


Unser nächster Übernachtungsplatz ist das Seebad Brighton. Brighton liegt nur eine Autostunde von London entfernt am Meer und ist daher ein beliebtes Ausflugsziel für Städter. Einst war Brighton wohl ein mondänes Seebad für die High Society, heute ist es aus unserer Sicht eher der Ballemann Englands - alles ist stark heruntergekommen und irgendwie "trashig". Unsere geplanten Besichtigungen haben wir aber natürlich trotzdem gemacht. Bekannt ist Brighton unter anderem für den Brighton Palace Pier, eine Seebrücke, auf der heute ein Rummelplatz untergebracht ist. Früher hatte Brighton mehrere Seebrücken. 1866 wurde das West Pier errichtet, auf ihm standen unter anderem ein Konzert- und ein Theatersaal. Es wurde 2003 und 2004 durch zwei Brände stark zerstört und seitdem nicht mehr wiederhergestellt, die Ruine steht heute noch an der Küste von Brighton.



Eine weitere Attraktion ist der sogenannte i360. Am 4. August 2016 wurde an Brightons Seestrand, in direkter Nachbarschaft zum West Pier, der 173 Meter hohe Aussichtsturm British Airways i360 eröffnet. Es ist mit einer erreichbaren Plattformhöhe von 138 Metern die zweithöchste öffentlich begehbare Aussichtsplattform im Vereinigten Königreich und das höchste Bauwerk in der Grafschaft Sussex. Wir haben den Turm nicht besichtigt, uns schien einfach die Aussicht zu wenig interessant zu sein.


Ganz gut gefallen hat uns dagegen die gemütliche Altstadt von Brighton, "The Lanes". Kleine Geschäfte, nette Restaurants und dazwischen ein großer Pub in einer Kirche. Überall gibt es etwas zu entdecken. Hier kann man vortrefflich die Zeit vertrödeln.






Eines der skurrilsten Gebäude, die wir je besichtigt haben, ist der Royal Pavilion in Brighton. Auf den ersten Blick glaubt man in Indien zu sein, wenn man sich dem Royal Pavilion nähert. Nur die typischen englischen Häuser an der Straße machen klar, wir haben uns nicht verlaufen und sind noch in Brighton. Der Royal Pavilion wurde zwischen 1815 und 1822 in Brighton auf Veranlassung vom damaligen Prince of Wales errichtet, bzw. das ursprünglich hier genutzte Gebäude erweitert. Der Prinz, später König George IV., ließ den Pavilion in seinen Fassaden wie einen indischen Mogulpalast errichten. Sein Inneres ist jedoch stark von chinesischen Einflüssen geprägt. So gilt der Royal Pavilion von Brighton bis heute als der exotischste Palast in ganz Europa. Schon seit 1850 befindet er sich allerdings im Besitz der Stadt Brighton, die insbesondere seit dem Zweiten Weltkrieg intensive Maßnahmen betreibt, den Royal Pavilion in seinem Ursprungszustand als Attraktion für Touristen, aber auch als Veranstaltungsort zu bewahren.



Mit dem Erwerb dieses riesigen Gebäudes begann man mit der Nutzung des Royal Pavilion für Versammlungen und weitere Veranstaltungen. Während des Ersten Weltkriegs diente er als Lazarett, insbesondere für in der Nähe anlandende Truppen aus Indien und Westindien. Erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und mit dem danach noch stärker aufkommenden Tourismus entschied man sich endgültig, viel in Restauration und Instandhaltung des Royal Pavilion zu investieren. Infolgedessen gilt der Royal Pavilion nicht nur als der Exotischste in Europa, sondern auch als einer der Bestgepflegten. Was wiederum einen Besuch darin sehr spannend werden lässt. Der Mix aus dem umgebenden, sehr englischen, Ambiente, der indisch geprägten Fassade und seinem ostasiatischen Interieur ist für viele Besucherinnen und Besucher ein unvergessliches Erlebnis.


Wenn man in Reiseführern über Brighton liest, wird oft auch die Volk’s Electric Railway genannt. Die älteste elektrische Bahn in Großbritannien mit einer Spurweite von 825 Millimetern fährt zur Brighton Marina, einem komplett auf dem Reisbrett entstandenen Yachthafen, wie er steriler und weniger charming kaum sein könnte. Wir haben die Fahrt zwar gemacht, würden aber allen davon abraten, wenn sie nicht hoffnungslose Eisenbahn-Romantiker sind.

Zeit, Brighton zu verlassen und mal wieder eines der für England so typischen Castle zu besichtigen - Arundel Castle. Als eines der größten bewohnten und vollständigen Schlösser Englands liegt Arundel Castle in einer herrlichen Anlage mit Blick auf den Fluss Arun in West Sussex. Die Burg wurde Ende des 11. Jahrhunderts von Roger de Montgomery, Earl of Arundel, gegründet und ist der Familiensitz des 18. Herzogs von Norfolk, der hier auch - zumindest teilweise - noch lebt und arbeitet. So kann man diverse Räumlichkeiten besichtigen und findet überall auf den Tischen und Anrichten Bilder des Herzogs und seiner Familie.

Die Burg, wie wir sie heute bewundern können, verdankt viel dem 15. Herzog von Norfolk (1847-1917). Es war eines der ersten englischen Landhäuser, das mit elektrischem Licht, integrierter Feuerlöschausrüstung, Lastenaufzügen und Zentralheizung ausgestattet war. Die durch Schwerkraft gespeiste Wasserversorgung versorgte auch die Stadt.
Zum Schloss gehören aufwändig gestaltete Gärten mit einem Barockgarten im jakobinischen Stil, genannt der "The Collector Earl’s Garden", inspiriert von den Gärten des 14. Earl von Arundel. Er wurde von der Herzogin von Norfolk konzipiert und 2008 vom Prince of Wales eröffnet.
Von den Gartenanlagen hat man auch immer wieder einen schönen Blick auf die im Ort gelegene St. Nicholas Church.




Mit seiner fast 1.000 Jahre alten Geschichte bietet Arundel Castle einen ganztägigen Ausflug mit geführten und frei zugänglichen Spaziergängen durch die fein erhaltenen Schlossräume, einschließlich der Baron’s Hall mit ihren beeindruckenden Maßen von 40 Metern Länge und einer Höhe von 15 Metern mit einer massiven Eichendecke, der katholischen Fitzalan-Kapelle aus dem 14. Jahrhundert, der 37 Meter langen Regency-Bibliothek aus Mahagoni mit rund 10.000 Büchern und der viktorianischen Schlafzimmer, sowie der Möglichkeit, die 131 Stufen des normannischen Bergfriedes zu besteigen. Am meisten beeindruckt haben uns dabei die, immer noch genutzten, liebevoll und stilecht eingerichteten Gästezimmer mit den zugehörigen Badezimmern. Man kann sich gut vorstellen, dass, je nach gesellschaftlicher Stellung, auch die Zimmer vergeben werden, denn die sind sehr unterschiedlich in Größe und modernem Komfort.



Wie Ihr seht, gibt es in Sussex eine Fülle von schönen Orten zu besichtigen und wir haben bestimmt noch nicht alle gesehen.